EOL – Erhebung operationeller Leistungsfähigkeit im Entwicklungsverlauf zwischen der 1. und 2. Schwelle der Berufsausbildung

Lässt sich die Kategorie »Ausbildungsreife« in einem empirischen Forschungsdesign so operationalisieren, dass sie bildungs- und entwicklungstheoretisch schlüssig beantwortet werden kann?

Zielsetzung

Ursprünglich ging es um die Klärung der Frage nach der »Ausbildungsreife« jugendlicher Absolventen allgemeinbildender Schulen: Lässt sich die Kategorie »Ausbildungsreife« in einem empirischen Forschungsdesign so operationalisieren, dass sie bildungs- und entwicklungstheoretisch schlüssig beantwortet werden kann? Der neue Aspekt dabei war, dass die bislang eingesetzten Methoden wie TIMSS oder PISA letztlich die Lernergebnisse der Phasen des vorausgehenden Lernens im selben Milieu des Wissens bilanzieren. Wir wollten versuchen, das als operationelle Leistungsfähigkeit bezeichnete Messkonstrukt aus Sicht der kommenden Anforderungen zu erfassen.

Bei dem seit September 2008 fortlaufenden Projekt haben wir die Fragestellung mittlerweile um die Messung von Effekten der Verberuflichung des Lernens erweitert (EOL II und EOL III). Damit entsprechen wir den ersten Ergebnissen, die auf eine nur gering augebildete Reife schließen lassen, wohingegen sich die Leistungsfähigkeit im Milieu des beruflichen Lernens nachweislich steigert. Diesen Effekt wollten wir durch Weiterentwicklung des mit EOL I vorgelegten Instruments nachweisen.

Forschungsschwerpunkte/Forschungsfragen

Die Anlage von EOL II und III ist die, die Verberuflichung des Lernens als einen Konzeptaufbau zu verfolgen, der fachlich entsteht, aber seine curriculare Lenkung und Anreicherung überragt. Uns interessieren dabei vor allem die Persistenz von Fehlkonzepten bzw. die Bedingungen ihrer Auflösung. Das ehrgeizige Ergebnis der Untersuchung sollte sein können, die Frage zu entscheiden, ob eher der betriebliche oder eher der schulische Ausbildungsteil bekannte Fehlkonzepte beseitigt und insgesamt für die überlegene Leistungsfähigkeit des beruflichen Bildungssystems verantwortlich ist.

Methoden

Die Fragen als plots und die Antworten als items werden für ein Multiple-Choice-Verfahren entwickelt. Im Unterschied einerseits zu den (Rasch-)Skalen der üblichen Untersuchungen und deren Ratings »richtig« oder »falsch« erproben wir die Anwendung von drei Rating-Kategorien: »richtig«, »alltagstheoretisch« und »falsch«. Damit versuchen wir methodisch, der letztlich leitenden Idee einer Bildungs- als Entwicklungstheorie gerecht zu werden.

Ergebnisse

A: Unsere Erfahrungen sprechen dafür, dass die bislang eingesetzten Instrumente funktionieren, weil sie belastbare Ergebnisse erbringen. Mit ihnen ist ein erhöhter Aufwand verbunden, der sich bislang dadurch rechtfertigt, dass wir bei den versuchsweise eingesetzten Evaluationsaufgaben deutliche Hinweise auf die Existenz von sogenannten Superkonzepten erhalten konnten, die es gestatten, unterhalb des speziellen Berufs wirksame Konzepte zu identifizieren, die in verschiedenen Domänen aufgebaut, aber nur in einzelnen ausgeprägt werden. Dadurch ergeben sich wahrscheinlich Indikatoren, die berufliche Kompetenzentwicklung in der Weise verstehbar machen, dass hinter dem speziellen Einsatz eines Konzepts dessen domänenübergreifende Bedeutung sichtbar wird. Das hieße z. B., dass man diese Konzepte zwar nur in einer beruflichen Spezialisierung entwickeln kann, diese dann aber eine generellere Bedeutung, eben eine operationelle gewinnen. Für die technischen Berufe gestaltet sich das bislang undramatisch. Man könnte von einem harmonischen Verhältnis der Ergebnisse zu den Hypothesen sprechen.

Das scheint bei den kaufmännischen Berufen ganz anders zu sein. Bis auf die ganz wenigen Ausnahmen, die auf einer machbaren, weil aus der Perspektive der Beteiligten konstruierten Regelung beruhte, wurden uns Lösungen präsentiert, die zum überwiegenden Teil insofern auf gar keinem Konzept basierten, als das moralische Problem eines gerechten Tausches, das mit den Mitteln ökonomischen Denkens zunächst identifiziert werden musste, zwar nicht erkannt, mit der Lösung aber nichtsdestoweniger kräftig moralisiert wurde.

B: Wir sind auf eine erstaunliche Heterogenität gestoßen. Patrick Griffin, der dem Assessment Research Centre (ARC) der University of Melbourne vorsteht und enge wissenschaftliche Kontakte zu internationalen PISA-Experten und der OECD hält, hat ähnliche Beobachtungen geschildert, die wohl auch den Psychometrikern zu schaffen machen. Den vergleichsweise hohen Grad an Homogenität ihrer Messbefunde erzielen sie durch Rückgriff auf die Inhalte, an deren Bewährung die Probanden genau zu solchen Gruppen zusammengefaßt werden, denen ihr Niveau der Bearbeitung entspricht. Bei einem Projekt, das die amerikanischen Unternehmen Cisco, Microsoft und Intel in Auftrag gegeben haben, sollte er wahrscheinliche, künftig wichtige Anforderungen ermitteln und darauf ausgerichtete Testinstrumente für Assessments entwickeln. Womit niemand rechnete, wahr, dass die Heterogenität der Befunde drastisch anstieg – obwohl seine Testkandidaten dem Reservoir der kommenden Eliten von Cisco, Mircrosoft und Intel angehören werden und mithin nicht zu den schlechteren Absolventen der einschlägigen amerikanischen Universitäten gezählt haben dürften, fielen die Unterschiede bei den gemessenen Leistungen so hoch aus, dass man angesichts der psychometrisch gewohnten Korridore an Leistungen zu zweifeln begann, ob man mit tauglichen Instrumenten das Richtige gemessen habe.

Griffins Interpretation dieses Problems konzediert zum einen, dass es sich um den schlichten Effekt handelt, der eintreten muss, wenn man der gebildeten Person selbst näher als deren Bildungsbiographie kommt. Mit anderen Worten, für ihn spricht aus der Heterogenität der Testergebnisse das Produkt einer zwar nicht zufälligen, aber auch nicht genormten oder normierbaren Entwicklung. Insofern kann man als ein wichtiges Zwischenergebnis festhalten: Sobald man die zurückliegende Phase individueller Entwicklung verläßt, um Plots oder Items für die Leistungsmessung zu gewinnen, entfällt mit dem kollektiven Charakter dieser abgeschlossenen Phasen auch der davon augenscheinlich ausgehende Homogenisierungseffekt.

Weitergehende Informationen

Bremer, Rainer 2010: Bericht zur EOL-Untersuchung zur Etablierung der OBF in Berlin.

ders. 2012: Technik und Bildung – Versuch einer berufspädagogischen Antwort auf das erziehungswissenschaftliche Rationalitätsproblem, Wetzlar (im Erscheinen).

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